Was Gemeinden aus zehn Jahren Innenentwicklung lernen (können)

Unsere Autorin hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, welche Anforderungen die Innenentwicklung an eine Gemeinde stellt. Hier sind ihre neun Tipps.

In Zusammenarbeit mit dem Kanton Zürich

Unsere Autorin hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, welche Anforderungen die Innenentwicklung an eine Gemeinde stellt. Hier sind ihre neun Tipps.

Stürzt da gerade die Zürcher Innenentwicklung ein? Selbstverständlich nicht. Aber einfach ist es auch nicht. Lesen Sie darum unsere neun Tipps!


Ein Leitbild als Kompass in die Zukunft
Es gibt im Kanton Zürich wenige Gemeinden, die ohne Leitbild unterwegs sind und die wichtige Frage «Wohin?» auslassen. Wie werden wir wachsen? Wo wollen wir verdichten? Wo sollen wir bewahren? Was darf nicht passieren? Fast noch wichtiger als das Produkt «Leitbild» ist der Verständigungsprozess, der in einer Gemeinde zur Raumentwicklungsstrategie führt. Aber politische Mehrheiten können ebenso wechseln wie Verantwortliche, und Papier ist geduldig. Darum haben Leitbilder eine kurze, manchmal zu kurze Halbwertszeit. Doch die harte Arbeit, die in der Raumentwicklungsstrategie steckt, lässt sich sichern, wenn Gemeinden die Extrameile bis zum behördenverbindlichen kommunalen Teilrichtplan gehen.

Innenentwicklung: Gewinn und Verlust
Die Gemeinden wissen: Der Kanton meint es ernst. Weitere Einzonungen müssen von der Wunschliste verschwinden, jetzt wird verdichtet. Viele sehen die Innenentwicklung als Chance, das Zentrum, die urbane Mitte, die sie als schnellwachsende Zwischenstadt-Gemeinde nie hatten, mit gezielter Verdichtung endlich schaffen zu können. Der Verlust der dörflichen Identität schmerzt, da sind sich alle Gemeinden einig. Aber sie stellen auch fest: Wer neu in die Gemeinde zuzieht, sieht mehr Gewinn als Verlust.

Mehr Mut zum Experiment!
Die Lernkurve, die Zürich und Winterthur nach dem Startschuss zum Stadtumbau vor 35 Jahren nahmen, war steil. Zu Beginn lief einiges schief. «Winti Nova» scheiterte, in Zürich entbrannte ein politischer Kampf um die BZO. Hier folgte die Testplanung, dort das Stadtforum mit Runden Tischen. Die Erfahrungen der beiden Städte waren für die Innenentwicklung der Zürcher Dörfer grösstenteils von Nutzen, aber nicht immer. Jeder muss aus den eigenen Fehlern lernen. In den Handlungsräumen Stadtlandschaft und urbane Wohnlandschaft, die Wachstum aufnehmen sollen, sind noch lange nicht alle Fragen der Innenentwicklung beantwortet. Und nicht alle Antworten aus den Städten und Agglomerationsgemeinden passen für die kleinen und mittleren Gemeinden und ihre Handlungsräume, die stabilisiert, aufgewertet und in ihrem Charakter erhalten werden sollen. Jetzt braucht es Experimente auf dem Land für das Land.

Keine Qualität ohne Haltung
Das Gesicht einer Gemeinde, ihr Dorfbild, ist das Ergebnis von 50 Jahren stürmischen Planens, Entscheidens und Bauens. Daran muss weitergebaut werden, aber nicht im Alleingang, sondern ko-kreativ. Planen statt verwalten, das verlangt nach Leadership. Identität bewahren, Baukultur schaffen und lebenswerte Lebensräume gestalten bedarf einer Haltung. Ohne Haltung keine Qualität. Eine Haltung entwickeln erfordert die Orientierung an Werten, zum Beispiel an baukulturellen Werten. Die Gemeinden zeigen ihre Haltung, indem sie auch mal sagen: Das wollen wir nicht!

Der Aussenraum machts aus
Qualität in der Innenentwicklung ist ohne Qualität im Aussenraum nicht zu haben. Die Entwickler fokussieren stark auf die Qualität des Wohnraums. Diese Qualität auch im Aussenraum auszuhandeln, ist genauso Aufgabe der Gemeinde, wie Qualität auf öffentlichem Grund zu schaffen. Eine Herkulesaufgabe, denn tendenziell hält das Planungs- und Baugesetz mehr Möglichkeiten bereit, um auf die Beschaffenheit von Bauten und die Ausstattung mit Fahrzeugabstellplätzen Einfluss zu nehmen als auf die Gestaltung des Aussenraums. Auf den Punkt gebracht: Die Tiefgarage ist der Tod der Aufenthaltsqualität. Wo städtebauliche Verträge und Gestaltungspläne oder Sonderbauvorschriften zum Einsatz kommen, kann die öffentliche Hand für die Qualität des Freiraums einen Fuss in die Tür halten. Aber auch im Rahmen der Regelbauweise kann sie von den Bauherrschaften im Baubewilligungsverfahren Umgebungspläne einfordern. Doch Achtung: Pocket-Parks, begrünte Innenhöfe und Biodiversitätsinseln allein genügen nicht. Es muss auch dem «Grün und Blau» in der Landschaft Sorge getragen werden. Wir müssen die Landschaft stärker als bisher planen.

Partizipation ja – aber wie?
Die Arbeit an der eigenen räumlichen Entwicklung ist harte Arbeit. Ohne Partizipation geht nichts, aber die Verantwortlichen unterscheiden bewusst zwischen Mitreden, Mitgestalten und Mitentscheiden. Information an der Gemeindeversammlung kann mehr bringen als schlecht besuchte Workshops. Frühe und breit angelegte Mitwirkung, die über die formelle Mitwirkung hinausgeht, zahlt sich langfristig aus, erhöht die Akzeptanz und hemmt Einsprachen. Gute Erfahrungen machen die Gemeinden mit Multiplikatoren, seien das engagierte Leitfiguren in einem Thema oder Bürgerinnen, die in einer Kommission mitwirken, eine Aussenperspektive einbringen und gleichzeitig die Kommissionsarbeit nach aussen tragen.

Gleich lange Spiesse fehlen
Die Aufgaben in einer Stadt oder einer Gemeinde sind dieselben, die Ressourcen nicht. In den Zürcher Seegemeinden kann das Milizsystem auf geballtes Fachwissen auf dem Gebiet der Baukultur und des Planungs- und Baurechts zugreifen, andernorts fehlt diese Möglichkeit.

Wir stossen im Verkehr an
Gefragt ist Siedlungsverdichtung bei gleichzeitiger Verkehrsentdichtung. Weniger Fläche für den Verkehr, mehr Fläche für die Menschen. Die Verkehrssensibilität der Bevölkerung nimmt mit dem Fortschreiten der Innenentwicklung markant zu. Für die Akzeptanz der Innenentwicklung ist der Verkehr entscheidend. Innenentwicklung läuft nur über die Ziellinie, wenn Siedlung und Verkehr zusammengedacht werden. Die Gemeinden nehmen auch wahr: Die Mobilitätswende ist nicht innerhalb der eigenen Gemeindegrenzen zu leisten, sondern bedarf der Zusammenarbeit in der Region und über Kantonsgrenzen hinaus.

Neue Herausforderungen!
Die Arbeit an der Innenentwicklung läuft in den Städten und Gemeinden auf Hochtouren, sie ist aber noch nicht Routine. Mit zunehmender Verdichtung treten neue Herausforderungen auf: Viele Industriebrachen voll, der Druck auf kleine Parzellen steigt. Wie aber geht man mit der Kleinteiligkeit um? Zudem drängen Themen auf die Agenda, die eine tiefgreifende Transformation erfordern: Energiewende, Dekarbonisierung, Klimaanpassung, Biodiversität. Die Bevölkerung nimmt diese Herausforderungen ernst, Kanton und Gemeinden sind sich bewusst, dass sie handeln müssen. Innenentwicklung war schon bis hierhin anspruchsvoll. Jetzt ist sie es erst recht.


Zum Schluss noch etwas Statistik – sie zeigt, was sich im Raum faktisch zuträgt und hilft manchmal, die Welt und die Raumplanung besser zu verstehen.

Statistiken sind ein Werkzeug, um die Welt und die Raumplanung besser zu verstehen (Klicken zum Vergrössern).

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